In einem Interview mit dem Radiosender Deutschlandfunk ordnet Prof. Norbert Pohlmann, Leiter des Instituts für Internet-Sicherheit – if(is), die Aussage „5G für Deutschland nur in Abhängigkeit mit China“ ein. So eingefahren, wie die Situation oft dargestellt wird, ist aus Sicht des IT-Experten die aktuelle Lage nicht zu bewerten: Es gäbe Alternativen zum chinesischen Marktführer − Nokia und Ericsson seien allerdings teurer und weniger innovativ.
Wer Mobilfunk nach neuestem Standard haben will, der kommt an China eigentlich nicht vorbei: Huawei gilt als Experte für den 5G-Ausbau. Huawei steht aber auch im Verdacht, dass die Technik des Konzerns für Spionagezwecke genutzt werden kann. Wie brisant das Thema ist, zeigt ein hochkarätiges Treffen im Kanzleramt, das eigentlich geheim bleiben sollte und dann doch nicht geheim geblieben ist, so Deutschlandfunk im Gespräch mit Professor Pohlmann: „Wenn Sie und nicht Peter Altmaier Wirtschaftsminister wären, wie würden Sie entscheiden bezüglich 5G und Huawei?“
Prof. Pohlmann: „Ja, es ist, sagen wir mal, keine einfache Entscheidung, weil wir uns klarmachen müssen, dass dieses 5G-Netz natürlich unsere zukünftige Infrastruktur darstellt, und da wird eine Menge drüber passieren. Wir werden also in 10, 20 Jahren autonomes Fahren darüber haben, weil das Netz halt auch schnell genug ist und realzeitorientierte Kommunikation kann. Wir werden alle unsere Daten darüber abgreifen, wir werden unsere elektronischen Assistenten darüber abrufen, die uns was vorlesen, unsere Reisen buchen. Und vielleicht werden auch unsere Studierenden darüber in virtuellen Vorlesungen die Vorlesung anhören und nicht mehr bei uns in den Sälen sitzen. Also es ist eine Entscheidung, die für unsere Zukunft enorm wichtig ist. Und das Besondere daran ist, es ist eine Technologie, die jetzt sehr schnell kommt und alles andere dann auch ablöst.
Deutschlandfunk: „Die FDP warnt eindringlich davor, Huawei an 5G zu beteiligen, das sei so, als ob man Atomsprengköpfe verteilen und die dazugehörigen roten Knöpfe ins Ausland verlegen würde. Was ist da dran, an diesem drastischen Bild?“
Prof. Pohlmann: „Ich finde die Darstellung natürlich deutlich überzogen, aber sie soll wahrscheinlich motivieren, dass wir das Thema ernst nehmen und darüber diskutieren und die Randbedingungen in der Diskussion finden, die notwendig sind, damit wir das dann auch wirklich machen können, damit wir uns von dieser weiteren Technologie abhängig machen können. Also ich finde sie Panikmache, aber halt wichtig, damit wir das jetzt ernsthaft diskutieren.
Deutschlandfunk: „Aber warum gibt es denn jetzt ausgerechnet beim Ausbau von 5G und bei Huawei diese große Sicherheitsdiskussion?“
Prof. Pohlmann: „Genau, es gibt ganz viele Gründe. Diese 5G-Netze schaffen noch mal eine deutlich höhere Abhängigkeit, eine technische Abhängigkeit. Diese Technologie wird jetzt sehr schnell eingeführt, hat eine wirklich hohe Bedeutung für unsere Gesellschaft, weil wir darüber unsere Leistungsfähigkeit definieren können. Was so ein bisschen anders ist als vorher, diese Technologie wird wahrscheinlich erst mal nur ein Technologieanbieter umsetzen können. Das hat was damit zu tun, dass die Technologien sich verändert hat. Und dann gibt es natürlich die Diskussion: Wenn ich so eine Technologie habe, die so enorm wichtig ist für einen Staat, und dann haben wir einen Staat, der das gar nicht richtig einschätzen kann, der kann natürlich vielleicht Dinge tun, die wir nicht haben möchten. Sagen wir mal, für mich ist das Horrorszenario, dass die Chinesen vielleicht in der Lage sind, diese Kommunikationsinfrastruktur auszuschalten aus der Ferne, und das liegt so im Bereich von Cyberwar. Das heißt, wir wären dann nicht mehr in der Lage, unsere täglichen Dinge zu tun, und das ist eine echte Katastrophe.“
Deutschlandfunk: „Aber wenn Sie sagen, es gibt sowieso nur einen Anbieter, und das ist ja dann Huawei für diese Technologie zurzeit, dann ist das doch eigentlich eine obsolete Diskussion, weil wenn wir 5G wollen, werden wir Huawei einsetzen müssen.“
Prof. Pohlmann: „Na ja, ich hab das etwas anders gemeint. Es gibt auch andere Anbieter, gerade europäische Anbieter wie Nokia und Ericsson, die halt auch in dem Bereich aktiv sind, die jetzt vielleicht nicht so innovativ sind. Ich kann mich erinnern, ich war vor zwei Jahren schon in Asien auf einer Konferenz, und die Asiaten sind da deutlich stärker eingestiegen und sind deutlich weiter in den Innovationen der 5G-Technologie. Die können uns halt innovativere Produkte zur Verfügung stellen – und das deutlich preisgünstiger. Also, wir können uns auch für Nokia und Ericsson entscheiden, würden dann aber das Tempo der Innovationen deutlich reduzieren müssen und müssen dann dafür deutlich mehr Geld ausgeben.“
Das ganze Interview, auch zum Hören, gibt es unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/it-sicherheitsexperte-ueber-huawei-5g-netze-schaffen-eine.1008.de.html?dram:article_id=440391